Ein Requiem für die Lebenden
Musik von Johannes Brahms in der Hülzweiler Pfarrkirche | Saarbrücker Zeitung vom 10.09.2008
Mit seinen Chören, dem Philharmonischen Chor an der Saar, der Saarländischen Bachgesellschaft und dem Speyerer Domchor hat Leo Krämer alles erreicht, was mit Laienensembles zu erreichen ist. Ein Beleg für die überzeugende Qualitïät seiner chorerzieherischen Arbeit lieferte er wieder einmal mit der Aufführung des "Deutschen Requiem" zum 175. Geburtstag von Brahms in der gut besetzten Hülzweiler Laurentiuskirche. Es spielte das Sinfonieorchester des Landkreises Kaiserslautern. Als Solisten traten Susanne Bernhard und Siegmund Nimsgern auf.
Von SZ-Mitarbeiterin Jutta Stamm
Hülzweiler. Johannes Brahms hinterließ eine Trauermusik "nach Worten der Heiligen Schrift", die sich nicht, wie üblich, an die lateinische Vorlage hielt. Er komponierte vielmehr ein "Requiem für die Lebenden" und markierte damit einen Höhepunkt in der Kirchenmusik der deutschen Romantik. Seine "letzte Posaune" ruft nicht zum Gericht. Siegesgewiss verkündet sie die Auferstehung. Nicht Christi Erlösungstod steht an erster Stelle, der Trost für die Hinterbliebenen ist ihm wichtiger.
Den von Alexander Mayer gut geschulten Instrumentalisten sowie dem Chor unter der Ägide von Leo Krämer gelingt es unter dem präzisen Dirigat des Speyerer Domkapellmeisters, musikalisch den Bogen vom Eröffnungssatz "Selig sind, die da Leid tragen" bis zum Schlusssatz "Selig sind die Toten" zu spannen und Brahms' eher distanzierte Zustimmung zur Erlösungsidee hörbar und verständlich zu machen.
Das Orchester kündigt mit immer düster werdenden Tonfolgen von Trauer und Leid, da stimmen die Sopranistinnen, perfekt im Einsatz, beeindruckend zart und leise ein. Ihre ersten drei Töne werden in Variation wiederkehren, da sie als übergeordnetes thematisches Element die sieben Sätze verbinden. Doch während das zurückhaltende Pianissimo die herbe Grundstimmung der einleitenden Seligpreisung nachempfindet, zerreißt der Fugenteil die Trauerstimmung des Totentanz-Reigens im zweiten Satz.
Die anfeuernde Gestik Krämers fordert harte Kontraste und kraftvolle Steigerungen, schnelle Tempi- und Dynamikwechsel, auf die die mehr als 100 Sänger und Sängerinnen hoch konzentriert reagieren. So gelingen auch die ebenso schwierigen Wechsel von rezitativisch-liedhaften zu homofonen, fast archaisch anmutenden und kontrapunktisch geführten Passagen.
Stimmlich eindrucksvoll gestaltet werden auch die Partien der Solisten. Susanne Bernhard meistert ihren schwierigen Solosatz "Ihr habt nun Traurigkeit" mit großer Ruhe und überzeugt auf der Basis überlegener Technik und einfühlsamer Interpretation. Ihr Sopran ist noch in der ganz hohen Lage kraftvoll rund und sicher in der Tongebung. Trotz schmerzvoller Melodik arbeitet sie im Zusammenklang mit dem Chor transparent den zuversichtlichen Charakter des fünften Satzes heraus.
Der sechste Chor mündet wie der dritte in eine ausgreifende Chorfuge. Entsprechung findet das Baritonsolo, von Siegmund Nimsgern gesungen. Er enttäuscht: Die Spanne vom menschlich grübelnden "Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss" bis zum verheißungsvollen sechsten Satz füllt Nimsgern zwar mit großer Stimme und Ausdruckskraft aus, vernachlässigt jedoch deutlich die erwartete saubere Tongebung in seinem Vortrag.
Leo Krämer gelang eine ungeheuer dichte und atmosphärische überzeugende Interpretation des Brahms'schen Meisterwerks.
Aus der auch im Monumentalen immer noch überzeugenden Tongebung und immer wieder ins Tröstliche gewendeten Glaubensgewissheit entwarfen die Beteiligten eine eindringlich beeindruckende Interpretation, die nicht genug gelobt werden kann.
Eine weitere Aufführung des Requiems von Brahms, auch im Gedenken an den Terroranschlag 2001 in New York, findet am Donnerstag, 11. September, um 20 Uhr im Speyerer Dom statt.